Mit Kapstadt Township-Bewohner Siviwe geht es per Fahrrad durch Langa, das älteste Township in Kapstadt. Eine Fahrt auf Augenhöhe vorbei an dampfenden Barbecue-Ständen, wummernden Bars und Wunderheilern, die bei Liebeskummer helfen.
Die soziale Aufstiegsleiter in Langa
The black man‘s wish – der Traum des schwarzen Mannes – steht vor der Tür: ein BMW älteren Baujahrs, silberfarben und zweitürig. Siviwe grinst. Genau darauf hat er hingearbeitet und nun ist sein Erfolg für alle sichtbar. So sichtbar, dass die Neffen und Nichten anrufen und nach Geld fragen. Schon vorher war Siviwes Karriere im schwarzen Township Langa, dem ältesten in Kapstadt, absehbar. Er hat sich eine G-Star Jeans gekauft und bald darauf ein Armani-Sweatshirt. Sein nächstes Ziel: ein Haus im Reichenviertel von Langa.
„Keiner von uns verlässt das Township“, sagt Siviwe, „wir wollen im Township aufsteigen – aus der Hütte in ein Mittelklassehaus mit zwei Schlafzimmern und dann dorthin, wo die Soccer- und TV-Stars, die Rechtsanwälte und Architekten wohnen.“ Siviwe hat sein Glück im Tourismus gemacht. Er radelt mit Gästen durch sein Township. Das Rad nimmt er nicht aus Kalkül sondern aus Überzeugung. „Wir wollen keine Schwarzensafari, keine Touristen im Bus, die durch die Fenster ungeniert Männer, Frauen und Kinder knipsen.“
Mit dem Rad durchs Township, das findet Siviwe cooler. Er stoppt an den überfüllten, lärmenden Schulen, zeigt den Wunderheiler, den weiß gekleideten Psychoberater auf einer Wiese, die armen Kids in den heruntergekommenen Ziegelbauten für die wirklich Armen und Neuankömmlinge, die coole Longstreet mit den Barbecues und den Markt mit dem besten Chicken Kapstadts.




Im Kapstadt Township Langa bringt Siviwe die Menschen zusammen
Skandinavier radeln mit Siviwe, Deutsche und manchmal Amerikaner. Nur weiße Südafrikaner lassen sich nie blicken. „Angst“, meint Siviwe, „die Angst vor den Schwarzen sitzt tief in ihren Herzen“. Einer kommt trotzdem: Garth Angus. Seine Mutter stammt aus einer burischen Farmerfamilie, sein Vater hat schottische Vorfahren. Auch Frau und Kids bringt er mit ins Township. Garth und Siviwe sind Freunde – und Geschäftspartner. „Das war vielleicht ein Aufstand, als Garth und ich das erste Mal Seite an Seite im Township die Longstreet entlanggegangen sind“, sagt er. Die Reaktionen waren drastisch. „Der sucht nur einen Handlanger“, haben Siviwes Freunde gesagt. „Der wird dich betrügen“, haben Garth Freunde gesagt. Das war vor etlichen Jahren, als sie beide als gleichberechtigte Partner die Firma Vamos gegründet haben. Vamos klingt nach Aufbruch, findet Siviwe, der angefangen hat, Spanisch zu lernen.



Sonntags im Kapstadt Township Langa – Sehen und gesehen werden
„Vamos“, sagt er auch, wenn er zur Township-Tour losradelt. Heute ist Sonntag, der beste Tag im Township. Alle sind auf den Beinen, Janna mit dem rosafarbenen Neckholder-Shirt, Eden mit der knallengen Jeans, Mandisa im rotgeblümten Kittel und Serafina im schwarzen Etuikleid. Sie treffen sich auf der Longstreet in Langa. Der Regen hat tiefe Pfützen hinterlassen. Ein klappriger Ford schiebt sich an den Hütten vorbei, aus denen Radiomusik dringt. Dichter Rauch von den Barbecues quillt unter den Wellblechdächern hervor. Thando mit einem Plastikbecher Bier in der Hand umarmt die Radfahrer nacheinander. Siviwe schaut nachsichtig und quatscht mit einem weiteren Freund, der gerade vorbeikommt. „Ich muss überall anhalten und mit Freunden und Verwandten reden“, hatte er schon vorher angekündigt, wenn nicht, habe er in Langa verspielt.
Kein Problem. Alle fünf Minuten treten die Radler auf die Bremse und Siviwe erfüllt seine sozialen Pflichten. Halt bei Muzi. Reggae-Musik dringt aus dem Bretterverschlag an der Bahnstation, von der aus Township-Arbeiter in der Woche in die City von Kapstadt fahren. Siviwes stellt alle vor. „Hey man“, grinst Muzi und fasst sich an seine Dreadlocks. Siviwe verhandelt lange und verlässt dann mit zwei gebrauchten CDs die Hütte.




Die Doktoren und psychischen Berater vom Kapstadt Township Langa
Ein weiterer Bretterverschlag, die Tür ist verschlossen, darauf handgemalte Telefonnummern. Hier praktiziert der Doktor. „Herzprobleme, Liebeskummer, aber glaubt mir“ sagt Siviwe, „80 Prozent kommen wegen Punkt zehn auf der Liste der Leiden her: sexual problems.“ Die Männer schleichen verschämt zur Hütte, denn der Spott der Frauen ist ihnen sicher. Vielleicht sei der Doktor ein reicher Mann, mutmaßt Siviwe, doch die Leute trauen nur jemandem, der nicht nach hohen Einkünften aussieht und in schäbiger Umgebung heilt. .
Nebenan eine große Wiese: Ein weiß gekleideter Berater für alle Lebensfragen spricht mit einem Mann, weitere warten scheinbar zufällig in der Nähe. Er hilft bei Jobverlust, Familienproblemen und Streit in der Nachbarschaft. „Ich trau mich nicht hin“, sagt Siviwe, „der durchschaut mich sofort“. Und so radeln wir rasch weiter. Tatsächlich treibt auch Siviwe ein Problem um. Er hat G-Star Jeans, BMW und sicher bald ein Upperclass-House, doch noch keine Frau. Er sucht die richtige und er muss noch etwas sparen. Gut ausgebildet, ohne Kinder und aus einer anständigen Familie – das kostet ihn 15 Rinder. Einziges Zugeständnis an die moderne Zeit: Da Rinder in der Großstadt denkbar unpraktisch sind, gilt: Pro Rind werden 5000 Rand gezahlt, das sind rund 350 Euro.




Das Kapstadt Township Langa – im Hintergrund der Tafelberg
Thumsie jedenfalls ist entsetzt, dass Siviwe immer noch ohne Familie ist. Sie ist geschieden und hat ihr Leben mit drei inzwischen erwachsenen Kindern perfekt im Griff. Sie kocht – nicht für jedermann, aber für Siviwe und die bei ihm beschäftigten Radler-Guides und auf Wunsch für ausländische Gäste, manchmal auch für Studenten oder Freiwillige sozialer Hilfsprojekte. Ihr Haus ist picobello, mit ausladender Samtcouch, gläsernem Esstisch, Kommoden, Spiegeln und Bildern ihres Künstler-Sohns. Die Küche ist ihr Stolz, darin Edelstahlkühlschrank, Einbauschränke, Elektroherd und brodelnde Töpfe auf den Platten. Es gibt Rind, Karotten, Butternuss, Kartoffeln und Reis mit Chakalaka-Sauce. Thumsie hat den Ehemann irgendwann kurzerhand rausgeworfen. „Das war nicht gleichberechtigt 50 zu 50“, sagt sie, so etwas brauche sie nicht. Es sei nicht immer einfach mit den schwarzen Männern, findet sie und fixiert Siviwe. 50 zu 50, das sei schon okay, meint dieser und verspricht Thumsie: „Bis Ende des Jahres stelle ich dir meine Ehefrau vor.“
Wir umarmen Thumsie und steigen wieder aufs Rad. Es geht zurück, an Wellblechhütten, Grillständen und kleinen Häuschen vorbei. Kinder rennen uns hinterher und versuchen, die Gepäckträger zu greifen. Wäsche flattert im steifen Südostwind Kapstadts. Wir blicken über das Häuserchaos. Der Wind hat seine Arbeit geleistet und die Wolken weggefegt. Fast zum Greifen nah erhebt sich der Tafelberg 1000 Meter steil in die Höhe. „Tja“, sagt Siviwe, „der Blick ist in Kapstadt für alle gleich. Ob vom edlen Camps Bay, den hippen Stadtteilen Observatory und Woodstock, ob von der Waterfront oder vom Township. Wir alle sehen die gleiche Kulisse – den Tafelberg.“




Weitere Informationen
Radtouren durchs Township Langa und weitere Aktivitäten wie etwa eine Gospel-Tour bietet der lokale Veranstalter „vamos“. Möglich ist auch eine Übernachtung bei einer Familie im Township. Die Teilnehmer werden in Kapstadt abgeholt und dann zu „ihrer“ Familie gebracht. Danach folgt eine begleitete Walking-Tour durch Langa. Das Dinner wird in der Familie eingenommen, die auch die Übernachtung stellt. Je nach Länge des Aufenthalts (1 oder 2 Nächte) gibt es weitere Aktivitäten wie eine nächtliche Tour durch Langa und den Besuch des von Siviwe initiierten gemeinnützigen Projekts „Happy Feet“ (www.happyfeetyouthproject.wordpress.com). Dort übt er mit Township-Kindern die alten Tänze der Minenarbeiter ein, die traditionell mit Gummistiefeln getanzt werden. Er möchte ihnen ein sinnvolles Freizeitangebot machen, das ihre Selbstvertrauen stärkt, und organisiert auch Auftritte außerhalb des Townships. Darüber hinaus erhalten die Kinder zweimal in der Woche eine kostenlose gesunde Mahlzeit. Informationen, Anfragen und Buchungen unter www.vamos.co.za.
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