Salzwasser-Nilpferde und Frauen, die das Sagen haben: Der Bijagos-Archipel vor der Westküste Afrikas verspricht archaische Traditionen, eine erstaunliche Tierwelt und einen unvergesslichen Guinea-Bissau Urlaub.
Uralte Traditionen und Riten des Volkes der Bijagos
Augustino Openon steht mit nacktem Oberkörper am Ufer und fixiert das kleine Aluminiumboot, das sich der Insel nähert. Der lange Sandstrand ist menschenleer, dahinter ragt eine grüne Wand aus Palmen, Baobabs und Kapokbäumen auf. Augustino zieht die Blicke auf sich. Nicht nur, weil er den Körper eines Bodybuilders hat, sondern weil seine Haut von langen Narben überzogen ist, die sich wie Schnüre über die Brust ziehen. „Er ist stolz darauf“, sagt sein Neffe Belmiro Lopes, der das Boot mit einer kleinen Besuchergruppe an Bord steuert. „Er hat das Fanado mitgemacht, den geheimen Initiationsritus, den die Bijagos zu geachteten Mitgliedern ihrer Gesellschaft macht.“ Was genau passiert, wenn die Männer und Frauen der Bijago-Ethnie in kleinen Gruppen viele Wochen auf einer ihrer „heiligen Inseln“ leben und sich dem Fanado unterziehen, ist kaum bekannt. „Wer den Ritus mitmacht, verpflichtet sich, niemals ein Sterbenswörtchen zu verraten und daran halten sich alle“, sagt Belmiro, der selber noch hadert, ob er dieser archaischen Tradition folgen soll. Denn eines ist gewiss. Wer vom Fanado zurückkehrt, trägt dicke Narben, die Männer auf der Brust, die Frauen am Arm.



Der Orango-Nationalpark ist ein Highlight für jeden Guinea-Bissau Urlaub
Belmiro kommt aus Eticoga, einem Dörfchen auf der Insel Orango im Orango-Nationalpark. Der Nationalpark ist Teil eines 1996 ausgerufenen UNESCO-Biosphärenreservat, das den artenreichen Bijagos-Archipel mit 88 Inseln vor der Küste Guinea-Bissaus umfasst. Die von Mangroven umsäumte Insel Orango im Südwesten des Archipels misst circa 120 Quadratkilometer und zählt nur rund tausend Einwohner. Fremde kommen nicht hierher, es sei denn, sie sind Gäste der einzigen Inselunterkunft, des Orango Parque Hotels. Dieses wird von der Schweizer MAVA-Stiftung und der spanischen Umweltschutzorganisation CBD-Habitat Foundation betrieben. Zusammen mit IBAP, dem staatlichen Umweltschutzamt Guinea-Bissaus, betreuen sie den Nationalpark und widmen sich den Themen Öko-Tourismus, Naturschutz und Unterstützung der lokalen Bevölkerung.
Acht komfortable Übernachtungshütten gibt es im Orango Parque Hotel, ein Freiluftrestaurant, einen langen Sandstrand und ein kleines Museum, das Einblicke in die Bijago-Kultur gibt. Geleitet wird das Hotel von Mariana Ferreira, einer gebürtigen Rumänin, die mit 23 Jahren einen Mann aus Guinea-Bissau heiratete und ihm nach Afrika folgte. 37 Jahren ist sie nun schon in dem westafrikanischen Land, spricht das einheimische Kreol, schreibt ethnologische Bücher, unterstützt Künstler und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Fragen des Naturschutzes und der sozialen Gerechtigkeit geht. Mariana und ihre rechte Hand Belmiro sind im Orango Parque Hotel alles gleichzeitig: Hotelmanager, bei Bedarf Koch oder Servicekraft, Informationsquelle zu allen Fragen nach Kultur, Natur und Gesellschaft der Bijagos, Helfer für große und kleine Nöte und Guides bei Exkursionen über die Inseln.






Die Orango Insel – Nilpferde am Strand im Guinea-Bissau Urlaub
Orango ist zwar nur eine der 88 Inseln des Archipels, doch hat etwas Einzigartiges zu bieten: Salzwasser-Nilpferde, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Vor rund 10.000 Jahren waren die heutigen Inseln des Archipels Teil eines riesigen Deltas vor der Küste Guinea-Bissaus. Ein steigender Meeresspiegel überflutete die Region und schuf eine Landschaft aus tropisch bewachsenen Inseln, hingetupft in den Atlantik und umflossen von mäandernden Meeresarmen. Mangroven schützen die Landflecken vor den schwappenden Meereswellen und bieten Lebensraum für Fische, Krabben und zahlreiche Zugvögel aus dem Norden, die hier den Winter verbringen und in den seichten Gewässern reichlich Nahrung finden. Orango ist schon einige tausend Jahre vom Festland getrennt, geblieben jedoch sind die Nilpferde, die sich an die neuen Bedingungen angepasst haben und nun in salzreichen Lagunen gut klarkommen.
Putzige Dickhäuter im dichten Mangrovenwald
Und so steht für die Gäste des Orango Parque Hotels in ihrem Guinea-Bissau Urlaub eine Exkursion zu diesen tonnenschweren Tieren mit den mächtigen Hauern auf dem Programm. Da Mariana einen Termin im Dorf hat, begleitet Belmiro den Ausflug. Lange Hosen, langärmelige Oberteile, reichlich Moskitospray und Wasserschuhe sind Pflicht, denn das Gebiet ist dicht bewachsen und sumpfig. Zunächst geht es im Gänsemarsch durch hohes Gras, das die Savannenlandschaft bedeckt. Palmen stehen wie arrangiert in kleinen Grüppchen umher, auf den Baobabs hocken schwarz-weiße Palmengeier und in den Ästen der dichten Büsche baumeln die Nester der Webervögel im Wind. Erstes Ziel ist ein grün zugewucherter Teich, durch den schneeweißen Reiher staken. Hier verbringen die Hippos gerne ihre Tage, um nachts zum Grasen an Land zu gehen. Doch Belmiro winkt ab, die Hippo-Gruppe ist weitergezogen. Das Gelände wird sumpfig, so dass jeder Schritt schmatzt und die Schuhe volllaufen.
Skurrile Schlammspringerfische watscheln mit ihren kurzen Brustflossen durch den Matsch und spähen mit ihren vorstehenden Augen nach Würmern und Larven. Belmiro weist auf ein giftgrünes Chamäleon, das sich in Zeitlupe einen Ast hochschiebt und zeigt Ameisen, die Seidenfäden spinnen. Ein lautes Grunzkonzert kündigt schließlich die Nilpferde an, die sich in ein von Wasserlilien bedecktes Sumpfgebiet zurückgezogen haben. Belmiro grinst erfreut und klatscht laut in die Hände, um die Hippos zum Auftauchen zu animieren. Und tatsächlich zeigen sich im Grün ein paar Glubschaugen. Ein mächtiger Schädel, auf dem sich Gräser und Seerosen wie ein Blumenarrangement drapieren, hebt sich aus dem Blätterteich. Das sieht putzig aus, doch mit den Hippos ist nicht zu spaßen. Sobald sie nachts an Land kommen, rennen sie jedes Hindernis – und dazu zählen auch Menschen – einfach um. Die Orango-Nilpferde sind besonders mobil. Denn sie laufen bei Dunkelheit gern an den Strand, um ein nächtliches Bad im Meer zu nehmen. „So werden sie Parasiten auf ihrer Haut los“, erklärt Belmiro und zeigt später am Strand die Hippospuren im weichen Sand.





Matriarchale Strukturen der Bijagos reichen weit in die Vergangenheit
Die Bewohner von Eticoga sind nicht sehr glücklich mit den Nilpferden, denn sie sind gefährlich und fressen überdies die Reisfelder ab. CBD-Habitat Foundation hat elektrische Schutzzäune gespannt, doch das hat nur vorrübergehend funktioniert. Nun übernachten die Männer wieder am Strand, wenn sie zu spät vom Fischen heimkehren, um auf dem Weg ins Dorf nicht von einem Hippo attackiert zu werden. Andere Projekte von CBD waren erfolgreicher. Bei einem Dorfbesuch zeigt Mariana die kleine Krankenstation und die Grundschule, die mit Hilfsgeldern betrieben werden. Im Dorf wird Mariana enthusiastisch begrüßt. Vor allem zu den Frauen pflegt sie engen Kontakt. Das dient nicht zuletzt dem Erfolg ihrer Projekte, denn bei den Bijagos haben die Frauen großen Einfluss. Traditionell hat diese Volksgruppe eine matriarchalische Gesellschaftsstruktur, in der die Frau das Oberhaupt der Familie ist, den Mann aussucht und über den Besitz verfügt.
Da das Archipel nie vollständig kolonisiert war, haben sich Teile davon bis heute erhalten. Zwar kann ein Bijago-Mann heute mehrere Frauen heiraten, doch die Frauen haben das Recht, die Nächte auch einmal in einer fremden Hütte zu verbringen. Sie können außerdem offen ihren Wunsch nach einem Liebhaber äußern, in dem sie dem Auserwählten eine Schüssel mit Reis und Fisch vor die Tür stellen. Vertilgt er das Essen, willigt er ein. Auch die Hüterinnen der „Baloba“, einer Hütte, in der Reliquien verehrt und die Geister der Vorfahren angerufen werden, sind häufig weiblich. Wie die Männer durchlaufen auch die Bijago-Frauen einen geheimen Initiationsritus auf einer abgelegenen Insel, beschnitten werden sie nicht. In Eticoga lässt sich die Frauenpower auch an einer Grabstätte nachvollziehen. In einer Hütte ruhen die sterblichen Überreste von Okinka Pampa, einer 1930 gestorbenen Priesterin und Königin, die auf den Bijagos noch heute verehrt wird, weil sie den Widerstand gegen die portugiesischen Kolonialherren anführte, soziale Reformen veranlasste und die Rechte der Frau stärkte.



Im Guinea-Bissau Urlaub dürfen die Grünen Meeresschildkröten nicht fehlen
Wer in seinem Guinea-Bissau Urlaub Gast im Orango Parque Hotel ist, wird zu einem weiteren Highlight eingeladen: Per Boot geht es zu der vier Fahrtstunden entfernten Insel Poilão mit einem der weltweit eindrucksvollsten Eiablage-Strände der Grünen Meeresschildkröte. Manche Nacht kommen Hunderte der massigen Tiere an Land, legen bis zu 100 Eier jede und verschwinden nach ein paar Stunden wieder im Meer. Während die bis zu 200 Kilogramm schweren Tiere sich im Wasser geschickt wie Tänzerinnen bewegen, ist ihr Gang an Land ein kraftzehrendes Unterfangen. Schnaufend schleppen sie sich in Zeitlupe den Strand hinauf und buddeln dann, unterbrochen von Erholungspausen, ein badewannentiefes Loch, in dem sie die tischtennisballgroßen Eier vergraben.
Meist kommen sie nachts mit der Flut an Land, um vor Beginn der Tageshitze wieder in den kühlen Atlantik abzutauchen. Für die Eiablage wählen sie immer den Strand, an dem sie selber einmal geschlüpft sind. Das Magnetfeld der Erde weist ihnen den Weg. Wer der Eiablage zuschaut, ausgerüstet mit einer roten Stirnlampe, um die Tiere nicht allzu sehr zu stören, fühlt sich ein wenig voyeuristisch. Doch anders als an vielen Hotelstränden rund um den Globus, ist Poilão noch kaum touristisch berührt. Ein Dach über dem Kopf findet man hier nicht. Wer das Schauspiel sehen möchte, muss in einem sehr einfachen Zeltcamp ohne Waschgelegenheiten und mit Outdoor-Toilette übernachten.






Die Umweltsituation auf dem Festland ist besorgniserregend
Trotzdem hinterlässt die Zivilisation auch auf Poilão deutliche Spuren. Angeschwemmter Plastikmüll von der Shampoo-Flasche mit arabischer Aufschrift bis zur blauäugigen Babypuppe umringt die Insel. Zwar reinigt IBAP, das staatliche Umweltschutzamt, die Strände regelmäßig, doch der Nachschub lässt nicht lange auf sich warten. Der Grund für die große Menge Plastik liegt unter anderem an der Atlantikströmung, die vor der Westküste Afrikas zuerst auf Poilão trifft. Übrigens auch ein Grund, warum hier so viele Grüne Meeresschildkröten anlanden. Eine Lösung des Müllproblems ist nicht so schnell in Sicht. Zwar sind die Inseln des Bijagos-Archipels ökologisch noch recht intakt. Doch der Staat Guinea-Bissau zeigt auf dem Festland, dass er die Müllentsorgung nicht im Griff hat. Erschreckend ist ein Blick in den alten Hafen der Hauptstadt Bissau. Einige Dutzend Schiffe liegen dort im Schlick und rosten vor sich hin. Fotografieren ist nicht erlaubt, das machen die schick uniformierten Ordnungshüter unmissverständlich klar. Umweltaktivisten haben Parolen an die Hafenmauer gemalt. „Bruder, der Müll zerstört das Leben“, steht dort geschrieben – doch für diese mahnenden Worte haben die Polizisten ganz offensichtlich keinen Blick.


Weitere Informationen
Anreise: Mit TAP Air Portugal und Zwischenstopp in Lissabon in die Hauptstadt Bissau. Alternativ mit Royal Air Maroc via Casablanca nach Bissau. Vor dort gehen Fähren oder Privatboote auf die Inseln.
Beste Reisezeit für einen Guinea-Bissau Urlaub: Zwischen Oktober und Mai/Juni. Schildkröten sind am besten zwischen September und Februar zu beobachten.
Unterkunft/Buchung: 10-Tage-Programm ab/bis Airport Bissau mit Unterkunft im Orango Parque Hotel, VP, Transport, geführte Exkursionen, Nationalparkgebühren, p.P im DZ ab 1.775 Euro. Buchung unter www.orangohotel.com oder als Reisebaustein über einen Afrikareiseveranstalter.
Reiselektüre: Reiseführer Senegal/Gambia/Guinea-Bissau von Thomas Baur, Reise Know-How Verlag, aktualisiert 2019/20, 16,90 Euro.
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