Königliche Krals, Baumgiganten und quirlige Märkte: Im Ovamboland nördlich des Etosha-Nationalparks schlägt das schwarze Herz Namibias. Hier wartet eine bunte und fröhliche Region, die sich jenseits des Tourismus ihre Ursprünglichkeit bewahrt hat.
Am königlichen Hof der Ovambos
Die Königin geht als letzte. Sie trägt ein Glitzerkleid in hellem Rosa und hat ihr silbergraues Haar zu einem Dutt aus geflochtenen Zöpfen hochgesteckt. Sie schreitet in ihren Pumps, ebenfalls in Rosa, über den festgestampften Boden aus Termitenerde und lässt sich am Altar nieder. Dort empfängt sie die Hostie und setzt ein Schnapsglas an die Lippen. „Halleluja“, klingt es aus der Gemeinde. Dicht an dicht sitzen schick herausgeputzte Frauen mit überdimensionalen Hüten, Männer in blütenweißen Hemden und unzählige Kinder auf den Kirchenbänken und verfolgen die Sonntagspredigt. Der junge Pfarrer in der wellblechgedeckten Kirche bei Onatshiku heißt nach dem Gebet auch eine kleine Gruppe weißer Gäste willkommen, die sich an diesem Tag mitten im Nirgendwo des Ovambolandes in der Kirche eingefunden hat und fordert sie zum Mitsingen auf – natürlich in Oshivambo, der Sprache der Ovambo.





Gastfreundschaft im hohen Norden Namibias
Unsere kleine Reisegruppe ist nicht zufällig heute hier in die abgelegene Kirche mitten in einer staubigen Senke, durch die Rinderherden ziehen, zum Sonntagsgottesdienst erschienen. Wir haben den König und die Königin von Uukwaluudhi gesucht. Joe Lingongo, unser Reiseleiter aus Swakopmund, war skeptisch. Hier im Ovamboland hoch im Norden Namibias zwischen Etosha-Nationalpark und angolanischer Grenze tobte viele Jahre der Unabhängigkeitskampf gegen die südafrikanischen Besatzungstruppen, der zahlreiche Opfer forderte. Vor allem die älteren Menschen, so erklärt uns Joe, seien auch heute noch sehr zurückhaltend, wenn Fremde in ihre Welt eindringen.
Doch Joes Bedenken zeigen sich als unnötig. Viele Kirchenbesucher winken uns beim Gang zum Abendmahl zu oder schenken uns ein schnelles Lächeln, bevor sie zum Altar schreiten. Der König und die Königin strahlen sogar hocherfreut, als wir sie nach dem Gottesdienst fragen, ob wir sie in ihrem Gehöft, dem das Uukwaluudhi Royal Homestead Museum angeschlossen ist, besuchen können. In der Staubwolke des königlichen Gefährts mit dem Autokennzeichen „N-1-UP“ folgen wir den Würdenträgern über die holprigen Sandpisten, warten kurz vor einem Shoprite-Supermarkt, in dem die Königin ihre Einkäufe tätigt, und gelangen schließlich zum königlichen Palast.





Ovambo-Königspaar auf der Zugspitze
Das Ovamboland, in dem an die 50 Prozent der Einwohner Namibias auf nur 10 Prozent der Landesfläche wohnen, zählt acht Stämme, von denen vier auch heute noch von einem König regiert werden. König Josia yaShikongo tsha Taapoi mit seiner Gattin Königin Lisa Nandjala Taapopi an seiner Seite ist einer von ihnen. „Bei uns im königlichen Gehöft gehen die Leute ständig ein und aus“, erzählt die Königin, die ihren betagten Gatten vertritt, der sich nach dem Kirchgang zu einem Schläfchen hingelegt hat. „Wenn eine Kuh auf der falschen Weide frisst oder eine Ziege abhanden gekommen ist, verlangen die Menschen vom König eine Klärung des Problems“, erklärt die quirlige Queen, die ihr rosafarbenes Kostüm gegen ein karminrotes Cocktailkleid ausgetauscht hat. „Der König entscheidet dann, ob der Fall in einem traditionellen Gerichtverfahren unter dem Versammlungsbaum geklärt wird oder – vor allem bei schweren Vergehen – ob der Täter der staatlichen Justiz überstellt wird.“
Doch viel lieber als von kniffligen Rechtsfällen erzählt die lebenslustige Königin, die nebenher als Grundschullehrerin arbeitet, von ihrem Deutschlandbesuch vor sechs Jahren. Sogar auf der Zugspitze seien sie gewesen und der König habe einen Schneeball geworfen. Stolz zieht sie einen Stapel Zeitungsartikel aus der Mappe und freut sich über die Fotos mit eisbedeckten Bergen und Schwarzwälder Kirschtorte. Dem Königshaus angegliedert ist das Uukwaluudhi Royal Homestead Museum, in dem die traditionelle Lebensweise der Ovambos gezeigt wird und das nach Voranmeldung von interessierten Besuchern besucht werden kann. Hilda, im traditionellen Baumwollkleid in leuchtendem Pink, führt durch den verwinkelten Kral, zeigt schattige Versammlungsplätze, mannsgroße Hirsekörbe und Schlafhütten – wahlweise für kalte oder warme Nächte.





Der zweitgrößte Baobab der Welt
Wer sich zu einem Besuch im Königshaus anmelden möchte, fährt am besten vorher zu Gebhard. Der 38-jährige Ovambo ist der Wächter über den angeblich zweitgrößten Baobab-Baum der Welt in Ombalantu – der größte soll in Madagaskar stehen. Gebhard hat den direkten Draht zum Königspaar und weiß die aktuelle Telefonnummer für eine Verabredung. Doch Gebhards eigentliche Mission besteht darin, Besuchern „seinen“ Baum zu zeigen. Fast tausend Jahre alt ist dieses gigantische Prachtexemplar, das seine verästelten Finger hoch in den ewig blauen Himmel reckt und es im Umfang mit jeder Rundhütte aufnehmen kann. Wie eine solche besitzt er sogar eine Tür, durch die Besucher ins Innere des Baumriesen eintreten können. Zwei Bänkchen und ein kleiner Steinaltar mit einer aufgeschlagenen Bibel finden in der halbdunklen Baumkammer Platz.
Doch dieser Baum hat schon viel mehr gesehen als gläubige Christen. Vor rund 200 Jahren, als im Ovamboland ein Krieg zwischen den Stämmen tobte, diente der Baobab Frauen und Kindern als Versteck. Sie schlüpften durch eine Öffnung im Geäst von oben in den ausgehöhlten Stamm und warteten, bis der Feind abzog. Später erhielt der Höhlenraum eine Tür und diente als Bar, Gefängnis und Ende des 19. Jahrhunderts als Postamt für das gesamte Ovamboland. Vor einigen Jahren wurde der Baumriese zum nationalen Kulturdenkmal ernannt und erhielt mit Gebhard einen Wärter, der seine Geschichte erzählt und darauf achtet, dass niemand sein Messer zückt, um seine Initialen in die dicke Rinde zu schnitzen.



Die „Four-O-Region“ als lebensfrohen Gegensatz zum einsamen Namibia
Namibia gilt vielen als Land der einsamen Landschaften. Doch wer ins Ovamboland vordringt, entdeckt jenseits von Wüste, Weite und Wildlife ganz andere Seiten. Diese Region, die sich offiziell „zentraler Norden“ nennt, ist quirlig, lebenslustig, bunt und eng besiedelt. Dicht an dicht liegen die Orte und kleinen Städtchen, die fast ausnahmslos ein O am Anfang ihres Namens tragen. Die Hauptregionen sind Oshikoto, Ohangwena, Omusati und Oshana und sie geben diesem Landstrich den Namen „Four-O-Region“. Während im Rest Namibias die große Leere herrscht und jede Häuseransammlung als willkommener Vorposten der Zivilisation begrüßt wird, wirkt das Ovamboland wie ein riesiges Dorf, das einfach nicht enden will. Die Fahrt im Auto geht vorbei an belebten Straßenmärkten, kleinen Shops, bunt bemalten Bars und strohgedeckten Hütten, an Schulen, aus denen Kinder in Uniformen quellen und Metzgereien, die Rinderhälften in der Sonne zum Trocknen aufgehängt haben.
Aus den Hütten quillt Rauch, Esel und Kühe rennen kreuz und quer über die Straße und Hirtenjungen treiben die Ziegen mit Stöcken vor sich her. Prächtige Baobabs säumen die Wege und laden in ihrem Schatten zu einer Siesta ein. Makalani-Palmen klappern im Wind und auf den Feldern wogt die Hirse, die nach der Ernte in riesigen Körben aufbewahrt wird und als fester Brei kombiniert mit Hähnchen oder gerösteten Mopanewürmer als leckere Mahlzeit dient. In den Wintermonaten brennt die Sonne vom Himmel und es ist so trocken, dass bei jedem Schritt weißer Staub aufwirbelt und sich wie ein Puder auf Gräser und Büsche legt. Im Sommer jedoch, wenn der große Regen in Angola niedergeht, kommt das Wasser in das Ovambobecken. Erst plätschert es durch die kleinen Kanälen, dann überschwemmt es das ganz Land, das gleich einer riesigen Pfanne voll Wasser läuft und diesem Umstand seine Fruchtbarkeit verdankt.









Überbordende Gastfreundschaft im Land der Ovambos
Der Landstrich zwischen Angola und Etoscha-Nationalpark gehört den Ovambos, die hier seit rund 500 Jahre siedeln und auch heute noch ihre Traditionen pflegen. Sie flechten Körbe aus Palmenwedel, formen Tontöpfe mit Hilfe von Kuhrippen, pressen Öl aus Makalaninüssen, brauen Bier aus Mahango-Hirse und brennen den hochpotenten Getreideschnaps namens „Ombike“. Wer einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte und eine lange Sandpistenfahrt nicht scheut, ist in der Ongula Village Homestead Lodge richtig. Strohgedeckte und sehr gepflegte Hütten laden zum Übernachten ein. Köchin Betty Muma serviert ein Menü nach Ovamboart mit Mahango-Papp, wildem Spinat, Hühnchen, Bohnenbrei und – wer möchte – Mopanewürmern. Und Erick Kauluma, der Enkel des Dorf-Chiefs und Neffe der Lodge-Besitzerin, führt durch den Kral seiner Familie, der von Mopane-Palisaden gegen fremde Blicke geschützt ist.
Mit Erick geht es auch zum Sonnenuntergang auf den Marktplatz des Dorfes Ongula-Ya-Netanga. Fremde Gäste sind willkommen, können vom Mahango-Bier probieren, in der Bar einen Namibia-Dollar in den Daddelautomten werfen oder ein Fläschchen Ombike für 20 Namibia-Dollar kaufen. Sie treffen auch Gustav, der als Selfmademan eine Hirsemühle betreibt und mehlbestäubt aus seiner Hütte kommt, um ein Selfie mit Gast für seinen Instagram-Account zu machen. Wenn die Schatten länger werden und sich die Sonne hinter die Hütten verkriecht, versammeln sich die Mädchen des Dorfes zum Tanz. Sie tragen Röcke und Turbane in leuchtendem Pink und wirbeln rasant über den Sandboden. Eine Vorstellung für die Gäste der Lodge, die den Mädchen offensichtlich ebensolchen Spaß bereitet wie den Zuschauern.





It’s all Pink
Doch warum leuchtet das Ovamboland eigentlich überall in Pink? Wer über die lokalen Märkte läuft, sieht rosarot, am Straßenrand hängen die Bäumen voll pinkfarbener Baumwollkleider und sogar die Männer tragen diese kräftige Farbe auf dem Hemd, kombiniert mit Leopardenmuster. Ganz zu klären ist diese Frage nicht. Museumsführerin Maggie im Nakambale Museum, das in einer alten finnischen Mission aus dem 19. Jahrhundert untergebracht ist, hat einen Ansatz. Angeblich seien es die damaligen Priester gewesen, die begannen, ihre Gewänder mit roten Pigmenten zu färben. Vielleicht aber, so meint Maggie, würde die Ovambos diese Farbe einfach lieben, weil sie so fröhlich und lebensbejahend sei.
Die Grenze des Ovambolandes gen Süden ist heute der Etoscha-Nationalpark – eine von Menschenhand gezogene Linie, die für die Ovambos früher nicht existierte. Schon seit Jahrhunderten zogen sie in die Senke, um Salz zu ernten. Der heutige Tourist kann aus dem Ovamboland durch das nahegelegene King Nehale Gate von Norden in den Etosha-Nationalpark einfahren und findet dort nach quirligen Tagen in der Four-O-Region das Namibia aus den Afrikakatalogen mit Wüste, Weite, Wildlife – und, wenn Wasser in der Pfanne steht, mit Zigtausenden Flamingos. Natürlich in Rosarot.
Weitere Informationen
Anreise: Air Namibia fliegt täglich nonstop per Nachtflug von Frankfurt/Main nach Windhoek. Preise starten ab 610 € inkl. Steuern und Gebühren (Economy Class). www.airnamibia.com. Die Reise von Windhoek ins Ovamboland erfolgt entweder mit dem Flugzeug ab dem nationalen Flughafen Windhoek Eros nach Ondangwa oder mit dem Auto über die B1 in einer circa 700 Kilometer langen Etappe. Wer den Besuch der Region mit einer Fahrt durch den Etosha-Nationalpark verbinden möchte, kann zum Beispiel im Osten durch das Von Lindequist Gate einfahren und den Park dann im Norden durch das King Nehale Gate verlassen (oder umgekehrt).
Reiseorganisation: Das Ovamboland ist selbst versierten Namibia-Reiseveranstaltern nur wenig bekannt. Erfahrung mit der Region hat zum Beispiel der Veranstalter Abendsonne Afrika (www.abendsonneafrika.de), der mit der in Namibia ansässigen Agentur Namibia Tracks & Trails zusammenarbeitet. Preisbespiel: 9 Tage privat geführte Tour inkl. Halbpension, Aktivitäten, Eintritts- und Parkgebühren, Reiseleitung bei 6 Teilnehmern ab 1.935,-€ pro Person, bei 4 Teilnehmern ab 2.325,-€ pro Person, bei 2 Teilnehmern ab 3.495,-€ pro Person.
Übernachtung: Das Ongula Village Homestead nahe Ondangwa bietet komfortable und charmante Chalets im ethnischen Stil. Reizvoll sind die authentischen kulturellen Touren, die angeboten werden. Auf Wunsch wird ein Menü nach Ovambo-Art serviert. Die Unterkunft eignet sich auch als Zwischenübernachtung für Reisende, die durch das King Nehale Gate im Norden des Etosha-Nationalparks ins Ovamboland kommen und weiter Richtung Westen ins Kaokoveld oder Richtung Osten in den Caprivi fahren wollen. www.ongula.com.
Im Etosha-Nationalpark bietet sich eine Übernachtung im Onkoshi Rest Camp direkt an der Salzpfanne an. Das Camp mit 15 reetgedeckten Chalets mit privater Veranda bietet eine stilvolle und komfortable Unterkunft. Onkoshi hat kein Wasserloch, bietet aber einen sensationellen Blick auf die Etosha-Pfanne, die vor allem bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ihr volles Farbenspiel entfaltet.
Als Zwischenübernachtung auf der Fahrt von Windhoek in den Norden empfiehlt sich eine Übernachtung in der Frans Indongo Lodge mit sehr guter Küche und einem ausgesprochen guten Service an. Die Lodge bietet einen Swimmingpool, einen üppig grünen Garten und eine Aussichtsveranda zur Wildbeobachtung. www.indongolodge.com
Tipps Ovamboland:
Uukwaluudhi Royal Homestead: Bei Tsandi findet sich der Palast des Königs der Uukwaluudhi, einer der Untergruppen der Ovambos. Angegliedert ist ein traditionelles Gehöft der Ovambos, das auf einer angemeldeten Tour besichtigt werden kann.
Olukonda Missionsstation: Die Missionsstation südöstlich von Ondangwa wurde 1871 von der finnischen Missionsgesellschaft gegründet. Von 1880 bis zu seinen Tod 1926 betreute der Finne Martti Rautanen die Mission, baute die heute älteste Kirche im Norden Namibia und übersetzte die Bibel in Oshivambo, die Sprache der Ovambos. Heute beherbergt die Station das Nakambale Museum, das von der Missionszeit erzählt und eine Ausstellung zur Kultur der Ovambo zeigt. Die Kirche und auch der Friedhof, auf dem unter anderem die Familie Rautanen beerdigt liegt, können besichtigt werden.
Baobab Tree Heritage Center: Nahe des Ortszentrums von Outapi findet sich ein fast 1000 Jahre alter Baobab-Baum, der heute nationales Denkmal ist. In der Nähe liegt das Outapi War Museum, ein unterirdischer Bau, der einst den südafrikanischen Besatzungstruppen als Unterschlupf diente und heute eine kleine Ausstellung zum Befreiungskampf zeigt.
Omulunga Palm Route: Die Omulunga Palm Route, die in Zusammenarbeit mit dem namibischen Tourismusministerium entwickelt wurde, führt Touristen zu den Höhepunkte im Ovamboland. Die Tour erstreckt sich über gut 1000 Kilometer und kann in zwei Teilabschnitten befahren werden. Die 467 Kilometer lange Route „Roof of Namibia“ verläuft von den Ruacana Wasserfällen des Kunene Flusses im Nordwesten über Nkurunkuru am Okavango Fluss durch den nördlichsten Teil Namibias bis zum Etosha-Nationalpark. Die „King Nehale Experience“ führt über 641 Kilometer unter anderem in die Städte Oshaktai, Ondangwa und Outapi und zeigt die ländlichen Gebiete.
Auskünfte: Namibia Tourism Board, Schillerstraße 42-44, 60313 Frankfurt am Main, Tel. 069/1337360, Fax 069/13373615, info@namibia-tourism.com, www.namibia-tourism.com. Neben allgemeinen Informationen ist auch ein kostenloses Info-Paket erhältlich, zu bestellen unter http://www.namibia-tourism.com/infopaket/
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